Nicht nur in der Ausstellung »30 Jahre. Kunstmuseum Singen.«, ganz generell zeigt das Kunstmuseum Singen, eingedenk der europäischen Bildungstradition und Geschichte aller deutschen Museen, ein >Doppelgesicht<: Das Haus wendet sich mit seinem Sammlungsgut der erlebten Vergangenheit zu; mit seiner Vermittlungsarbeit hinein in die Öffentlichkeit und mit seiner Kunstförderung ist es auf die Gegenwart und perspektivisch auf die Zukunft ausgerichtet.
Einerseits orientiert sich das Singener Kunstmuseum an den Erfordernissen der im Haus gesammelten Kunst. In diesem Feld dient es – im Sinne des Kulturgutschutzes – der Bewahrung, der Dokumentation, der Erforschung und Kontextualisierung >seiner<, d.h. der ihm anvertrauten Kunstwerke. Sie werden verstanden als zu bewahrende, materiell wertvolle, mit geistig-ideellen Werten und gesellschaftlich-historischen Kontexten ausgestattete Zeugnisse, mithin als Wert an sich. Diese Grundlagenarbeit ist für viele Bürger kaum sichtbar und wenig öffentlichkeitswirksam, bildet aber die Basis aller Museumsarbeit. Wo nichts gesammelt, erhalten und erforscht wird, da kann auch nichts, weder im Heute noch für nachfolgende Generationen, belegt, vermittelt, interpretiert und ausgestellt werden, das spezifisch mit dem Ort, d.h. mit Singen und unserer Region, in Verbindung steht.
Andererseits möchte das Kunstmuseum Singen sein Sammlungsgut, aber auch bislang nicht bekannte Positionen, für die Bürgerschaft und eine breite Öffentlichkeit lebendig und erfahrbar machen. Zugespitzt formuliert: Wir wollen unsere >Schätze< nicht nur ins Depot setzen, sondern Funken aus den >Dokumenten> schlagen. Das Museum möchte also informieren, locken und unterhalten, Horizonte erweitern, das direkte Erleben von Kunstwerken sowie die Teilhabe an der Kunst ermöglichen. Wir wollen, durchaus im Sinne des klassischen Bildungsgedankens, doch auf der Höhe der Zeit, gesellschaftliche Werte befördern! Dieser Auftrag begründet, warum ein Kunstmuseum nicht primär gewinnorientiert arbeiten kann und soll. In Erfüllung seines Bildungsauftrags beschränkt sich das Museum eben nicht auf die bloße historische Rückschau, sondern versteht die Auseinandersetzung mit der eigenen (Kunst-)Geschichte und mit aktuellen Positionen in der Kunst als eine beständige Herausforderung für die Gegenwart und die Zukunft. Ziel ist es, einen Beitrag zur Bildung und Entwicklung der Bürgerschaft zu leisten, städtische Identität zu stiften, demokratische Werte wie Aufgeschlossenheit, Toleranz, Diskussionsfähigkeit usw. zu befördern. In diesem Sinne fungiert das Kunstmuseum Singen als Freiraum und „dritter“, d.h. nicht kommerzieller, öffentlicher Ort neben der eigenen Wohnung und dem Arbeitsplatz.